Im Essener Gewerkschaftshaus kamen am 15. März 2022 mehr als 60 Sozialarbeiter*innen aus dem Städtedreieck Mülheim, Oberhausen und Essen zusammen, um im Rahmen eines Warnstreiks den „Internationalen Tag der Sozialen Arbeit“ zu begehen.
Deutlich wurde im Erfahrungsaustausch, wie sehr die Fachkräfte in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern dauerhaft be- und teils überlastet sind. Hoher Arbeitsdruck, starke Fluktuation und insgesamt zu wenig Personal kennzeichnen die Situation in den Betrieben. Abhilfe durch die Zuständigen: Fehlanzeige. Diskutiert wurde auch die Kluft zwischen der ausgeprägten Professionalität, der großen Verantwortung und der Bedeutung des Berufs für die Wahrung des sozialen Friedens – und seiner unangemessenen gesellschaftlichen wie tariflichen Anerkennung.
Die Kolleg*innen waren sich einig: Soziale Arbeit wirkt, weil sie kompetent und engagiert praktiziert wird. Und sie ist auch deshalb so wenig sichtbar, eben weil sie wirkt – in der Produktion von „Lösungen“ und „Lebensqualität“ im Einzelfall wie bei der stabilisierenden Herstellung sozialen Zusammenhalts in einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft. Andererseits machen Sozialarbeiter*innen auf Problemlagen und Benachteiligungen öffentlich aufmerksam – und dadurch bearbeitbar. Mit ihrer Zielgruppenarbeit schließlich tragen sie dazu bei, dass auch Menschen in problematischen Lebenssituationen sprechfähig bleiben oder auch erst werden. Die Sozialarbeit ist damit ein wesentlicher Baustein unseres demokratischen Gemeinwesens.
Diesen „Produktionsprozess“ wollen die Streikenden in den kommenden Wochen auch für Politik und Öffentlichkeit transparent machen und dabei insbesondere politische Akteur*innen und die drei Stadtspitzen adressieren. Daher wurden in mehreren Arbeitsgruppen Ideen für öffentlichkeitswirksame Aktionen entwickelt, Transparente gemalt und die Debatte über den „Wert“ und die „Rentierlichkeit“ sozialer Arbeit vertieft.
Es wird jetzt darum gehen, die laufenden Tarifverhandlungen wahrnehmbar zu begleiten und die Forderungen für den Sozial- und Erziehungsdienst durch größere und kleinere Aktionen zu unterstützen. Dass sie die von ver.di geforderten Verbesserungen für die Sozialarbeit und die Gleichstellung mit technisch-akademischen Berufen für überfällig halten, ist aus Sicht der Kolleg*innen völlig unstreitig. In der Formulierung einer Kollegin: „Wir bauen Brücken und sorgen für Anschlüsse. Wie die Straßenbauingenieur*in im Tiefbauamt. Und genau wie diese wollen auch wir Profis für den sozialen Brückenbau bezahlt werden.“ Und klar ist auch: „Wir müssen noch mehr Kolleg*innen gewinnen, für unseren Beruf einzustehen und in dieser Tarifbewegung Flagge zu zeigen.“
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